Kommentar

In der Fachzeitschrift Deutsches Bienenjournal, Forum für Wissenschaft und Praxis, ist in Heft 2 / 2014 Seite 12 und 13 der Artikel "Wachs - Zelle - Wabe" erschienen, der mich hier zum Widerspruch animierte. Zitat daraus, von mir aber in Teilbereiche gegliedert:

"Der Grund für die Regelmäßigkeit und die sechseckige Struktur der Zellen sind physikalische Gesetze und chemische Eigenschaften" (1) "des Bienenwachses. Die erste Zelle ist eine Röhre, die dem Körperumfang und der Länge" (2) "einer Arbeiterin entspricht. Kriecht eine Biene mit dem Kopf voran hinein " (5) "und erhöht ihre Körpertemperatur, so beginnt das Wachs weicher zu werden und schließlich seinen Schmelzpunkt" (4) "zu erreichen. Eine einzelne frei gebaute Zelle ist daher zunächst rund. Bauen Bienen weitere Zellen der selben Größe an und erwärmen diese ebenfalls, so werden die Wände zwischen den Wänden weich und schmiegen" (3) "sich aneinander. Da alle Zellen den gleichen Durchmesser haben, ordnen sie sich ganz natürlich in Siebenergruppen an." (7) Zitat: "Geraten nun alle Zellen an ihren Schmelzpunkt, so bilden sich die Kanten zwischen den Zellen aus und die Hohlräume" (6) "zwischen den runden Zellen verschwinden automatisch." Zitat Ende. Es folgt noch ein Vergleich mit Seifenblasen, wovon 2 gleich große aneinander liegende eine gerade Wand bilden. Ach, wenn doch alles so einfach wäre! 1. Welche Rolle spielen die chemischen Eigenschaften des Bienenwachses? 2. Jede Zelle muss größer sein als eine Biene. 3. Erreicht Bienenwachs seine Schmelztemperatur, wird es flüssig und nimmt keine starre Form mehr an. 4. Die Schmelztemperatur liegt bei mindestens 62 Grad Celsius. Die Bienenmuskeln wären, da bei diesem Erwärmungsprozess deren Temperatur noch höher liegen müsste, gut durchgegart. 5. Eine erste, einzelne runde Zelle oder gar mehrere habe ich während meiner über 25 jährigen Imkertätigkeiten noch nie entdecken können. Dem Artikel nach müssten sie ja eine Tiefe von ca 1 cm haben, sind also eigentlich gar nicht zu übersehen! 6. Hohlräume gibt es adäquat auch nicht. Gäbe es sie, wären Lufteinschlüsse unbedingte Folge, da die Erwärmung vom Brustbereich ausgeht, also eher die Zellwandmitte zuerst fließfähig macht. Der Prozess des Verschmelzens würde also vom Punkt der größten Wärme nach außen und gleichzeitig nach innen voranschreiten. Eventuell vorhandene Luft in den Hohlräumen wäre jetzt eingeschlossen. 7. Hier wird ein aktiver Vorgang beschrieben. Die Zellen können sich nicht selber anordnen. Wie am Naturwabenbau zu sehen ist, werden die Zellen nach außen hin zusammen mit der "Mittelwand" sofort an Ort und Stelle angelegt. 8. Zitat: "Ein Beweis für diesen Zusammenhang findet sich, wenn man eine Zelle betrachtet, die am äußersten Rand der Wabe gebaut wurde. Hier fehlt die formgebende Nachbarzelle, deshalb bleibt die äußere Zellwand rund." Zitat Ende

Gerade hier sieht man deutlich, dass schon ganz zu Beginn des Baus einer Zelle eine Sechseckform entsteht. Diese Zelle hat nur eine runde und 5 gerade Flächen! Wenn also eine zweifelsfrei gegebene Erwärmung für die Formgebung allein verantwortlich wäre, dann bereits jetzt in der Entstehungsphase. Tatsächlich sieht man im Randbereich häufiger runde Außenwände, was die "Wärmetheorie" stützen könnte. Dumm nur, dass auch noch viele andere Formen auftreten: Krumme, gerade, konkave, recht kleine oder große etc. Bei manchen dieser Wände könnte der Einfluss der Wärme eine Rolle gespielt haben, aber eben nicht alle. Daraus müsste man die Schlussfolgerung ziehen, dass eben neben dem Wärmeeinfluss eine weitere Kraft zur Formgebung existieren muss. Übrigens: Eine runde Außenwand bedeutet, optimale Ausnutzung des Materials bei größtmöglicher Ausnutzung des Rauminhalts.

Jetzt folgt meine erste emotional begründete Reaktion in Schriftform. Sie hat inzwischen derzeit in einigen Punkten keine Gültigkeit mehr und wird relativierend überarbeitet! Bis dahin bitte ich, die Ironie zu verzeihen. Meine Verärgerung darüber, dass eine "wissenschaftlich" orientierte Fachzeitschrift derartig eklatant falsche Artikel kritiklos übernimmt und veröffentlicht und damit noch unerfahrene Leser beeinflusst, Falsches zu lernen, bleibt bestehen:

Die Bienen sind ja nur Insekten. Also können sie doch selber aktiv gar nicht solch gleichmäßige Sechseckgebilde herstellen. Gott sei Dank, es gibt ein physikalisches Phänomen, das dies alles automatisch entstehen lässt. Die Bienen können ja nur Röhrchen produzieren - zugegeben, Wandungsdicke und Durchmesser sind unheimlich präzise. Dann wird das Wachs einfach erhitzt, bis es seinen Schmelzpunkt erreicht (also 62 Grad Celsius aufwärts) und, oh Gottes Wunder, alles fließt schön brav in eine perfekte Sechseckform (erläutert im Bienenjournal, Forum für Wissenschaft und Praxis, Heft 2 / 2014 Seite 12). Als Beweis für diese Theorie werden 2 bis drei gleich große Seifenblasen herangezogen. Ich fürchte, als diese werden sich derartige Erklärungsversuche herausstellen: Hat man die Seifenblasen auch thermisch behandelt? Hatten die Seifenblasen eine ähnlich dicke Wandung wie die Wabenzellen? Ist die Konsistenz halbwegs vergleichbar? Welche Rolle kommt den physikalischen bzw. den chemischen Eigenschaften zu? Ist in dem geschmolzenen Wachs überhaupt außer Tropfen noch eine andere Form sichtbar? Um den Schmelzpunkt von Bienenwachs zu erreichen, müssten sich die Baubienen mit ihren Brustmuskeln auf mindestens gleiche, eher noch höhere Temperatur erwärmen. Fleisch anderer Tiere ist bei dieser Temperatur fast durchgegart. Einige Bakterienstämme fühlen sich bei diesen Temperaturen ja auch wohl, warum also nicht auch Bienen?????? Oder haben sie andere Wärmequellen wie zum Beispiel Lötlampen? Und wo verflixt noch mal sind die Zwischenräume der 7 * n Röhrchen und wo sind denn nur diese selbst? Ich jedenfalls habe bislang noch nie welche sehen können, obwohl sie ja bereits eine gewisse Länge aufweisen müssten; denn eine Biene muss ja dem Artikel zu Folge mit dem Kopf voran hineinkriechen, um sie dann zu erwärmen. Zwischen den zungenartigen Wabenflächen beim Wildbau passt der Abstand angrenzender Zellen oft nicht. Hier entstehen alle möglichen Zwischenformen, die aber eine mögliche thermische Anpassung zueinander ab und zu vermissen lassen, obwohl hier mit den gleichen Wärmegraden gearbeitet wird. Wäre also die Wärme allein verantwortlich für die Formgebung, müsste dies hier genau so gegeben sein. Betrachten wir einfach mal andere Hautflügler; denn heutige Verhaltensmuster sind oft bereits bei den gemeinsamen Vorfahren angelegt worden.

1. die Wespen: Auch bei ihnen finden wir eine perfekte Sechseckstruktur ihrer Waben. Pech nur, dass sie eine Art Papier produzieren und nicht solch ein perfektes Material wie Bienenwachs. Wo liegt hier der Schmelzpunkt? Also: Wespen können aktiv diese Formen produzieren, aber unsere kleinen Dummchen (ich meine Bienen) nicht???????

Eine bereits seit langem bestehende menschliche Eigenschaft besagt: Was bereits schwarz auf weiß geschrieben steht, kann ich getrost unreflektiert übernehmen und als Wissen weiter verbreiten (erinnert mich irgendwie an den Eisengehalt von Spinat). Ungeschickt nur, wenn dabei Modellvorstellungen als real gegeben dargestellt werden. Abstreiten kann ich dagegen auf gar keinen Fall, dass bei der Formgebung von Wabenzellen die Wärme ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Sind die Zellwände Bruchteile von Millimetern gewachsen und sie werden bei ca. 40 Grad Celsius, einer Temperatur, die Bienen gut ertragen, weiter bearbeitet, könnte hier eine gewisse Fließeigenschaft die Formgebung stark vereinfachen. Die Bienen machen sich diese speziellen Eigenschaften also eher zu Nutze, ähnlich wie der Mensch die Fließeigenschaften des Stahls z.B. beim Schmieden oder der Produktion von Damaststahl nutzt. Es reicht nicht aus, 2 Lagen Stahl aufeinander zu legen und auf ca 1000 Grad zu erhitzen. Er muss dabei schon kräftig den Hammer schwingen, die Bienen also ihre Kauwerkzeuge betätigen.

Zurück zu den Wespen: Es mag sein, dass auch sie beginnen, runde Waben zu formen. Aber fast gleichzeitig werden die Nachbarwaben gebildet. Beim Papierbrei fließt nichts zusammen. Aber beim Bestreben, die Wandungen der Zellen gleichmäßig dick (dünn wäre hier eigentlich der genauere Begriff) zu halten, kommen die bauenden Wespen zu derart gleichmäßigen Sechsecken. Dort, wo sich die Wandungen der Zylinder berühren, sind beide zusammen recht dünn. Aber jetzt entfernen sie sich wieder. Durch gleichzeitiges Bearbeiten der Wandung zweier Nachbarzellen werden sie wieder gleichmäßig einander angenähert und miteinander vermischt, bis eben die Wabenform entsteht. Betrachtet man Bilder von Zellen der "Papierwespen", so fällt auf, dass alle Zellen, umgeben von anderen Zellen, sechseckig sind. Am Rand bilden sie zu den angrenzenden Zellen den Beginn eines Sechsecks, nach außen jedoch eine Kreisform.

Dies ist bei den Bienenwaben gleichermaßen. Dies werte ich als Beweis, dass das Sechseck letztlich aktiv durch Bearbeitung der anwachsenden Zellwandung entsteht, auch unter geschickter Ausnutzung der Materialeigenschaften des Bienenwachses.

Versuch einer Erklärung

2. Hummeln

Hier entstehen bei den mir bekannten Arten tatsäch eher rundliche Brutzellen und "Honigtöpfe", was die "Schmelztheorie" stärken könnte. Die dichter aneinanderliegenden Brutzellen nehmen dabei zum Teil eine sechseckige Form an, wobei die außen liegenden den Abschluss mit einer abgerundeten äußeren Wand bilden.

Als Schlussfolgerung bleibt bei mir die starke Vermutung bestehen, dass die Steigerung der Fließeigenschaften bei zunehmender Erwärmung eine Hilfe für die Honigbienen bei der aktiven Bearbeitung des Bienenwachses darstellt und dass hier auf gar keinen Fall eine automatisch ablaufende Thermoreaktion stattfindet.

PS: In der von dem Bienenjournal zitierten Dissertation, "Thermoregulation and Resource Management in the Honeybee (Apis mellifera)", habe ich leider keine Abhandlungen über diesen Bereich finden können.